Pimp my kid

Es ist nie zu früh, das Projekt "Kind" zu fördern...
Wieviel Förderung überfordert?

Huch! Denke ich und schaue dabei meiner zweijährigen Tochter zu, wie sie sich immer wieder im Kreis dreht und ziemlich betrunken in die Gegend schaut, wenn sie stehen bleibt. Und noch mal. Sie geniesst es, dieses Gefühl, keine Kontrolle über sich zu haben. Mmmh... Klingt ja nicht gerade nach fördernder Aktivität, die mein Kind darauf vorbereitet, mit unserer sich ständig verändernden Welt schritthalten zu können.

Weil es wahrscheinlich nicht nur mir so geht, wirbt das Programm von FasTracKids mit eben solchen Fragen. Das gemäss Homepage in über 50 Ländern vertretene Franchise-Lernprogramm (die Schweiz ist noch nicht dabei), arbeitet mit der Angst der Eltern, das wichtigste Zeitfenster der Gehirnentwicklung Ihres Kindes ungenutzt verstreichen zu lassen. In Zeiten von PISA, HARMOS und Frühenglisch ein Leichtes. Niemand will, dass sein Kind in der Schule das Schlusslicht bildet. Also tun wir Eltern einiges dafür, dieser Falle auszuweichen.

Und tappen so in die nächste: FasTracKids (Überholspurkinder) ist ein Lernprogramm, dass „ein Leben lang für Vorsprung sorgen wird“, so das Versprechen der Veranstalter. Dabei legen sie „unabhängige Forschungsergebnisse“ vor, die besagen, dass kleine Kinder eine besondere Art der Synapsenvernetzung besitzen, die es unbedingt zu nutzen gilt, bevor es zu spät ist!

Tatsache ist, dass wir alle nicht davor gefeit sind, uns zu fragen, ob wir genug für unsere Kinder tun. Ernähren wir sie gesund? Verwöhnen wir sie zu sehr? Lieben wir sie genug? Mit diesen Ängsten zu spielen, scheint ein neues Business zu sein.

Viele Eltern sehen ihre Aufgabe heute darin, ihre Kinder auf schulischen – und später beruflichen – Erfolg zu trimmen. Obwohl es wissenschaftlich umstritten ist, inwiefern die Erziehung Einfluss auf unseren Erfolg in der Ausbildung haben. Langzeitstudien mit Adoptivkindern haben gezeigt, dass Vererbung eine viel grössere Rolle spielt als solche Lernprogramme.

Heisst das, egal was wir tun, unseren Kindern ist der schulische Erfolg durch ihre DNA vorbestimmt? Erfolgreiche Eltern = erfolgreiche Kinder? Nicht ganz. Da sind sich Lernforscher – zumindest die seriösen – offenbar einig: Kinder lernen in den ersten Jahren tatsächlich sehr viel, aber lediglich nach dem Prinzip „Learning by doing“. Feuer ist heiss, Schnee ist kalt. Anfassen, fühlen, erleben.

Das „Zickzackverfahren“, das unter anderem bei FasTracKids angewendet wird, gleicht hingegen einer totalen Reizüberflutung. Mit der Erklärung, die Aufmerksamkeitsspanne eines Vorschulkindes reiche nicht über zweieinhalb Minuten, soll die Konzentrationsfähigkeit durch wechselnde Impulse erhöht und somit eine „hervorragende Basis“ für die schulische Bildung geschaffen werden. Was diese Methode mit dem zitierten Slogan „Spass am Lernen“ zu tun hat, ist nicht nur mir, sondern auch Neurobiologen schleierhaft.

Wenn man durch die Homepage klickt, stösst man auf Slogans wie „We live in exponential times“, „“Love of learning“, „Preparing children for the future“, die offensichtlich unsichere Eltern werberisch anspornen sollen. Und kommt nicht umhin zu denken, dass es bei der ganzen Übung wohl darum geht, ehrgeizige und vielleicht auch gelangweilte Mütter und Väter glücklich zu machen. Schliesslich hat man viel in das „Projekt Kind“ gesteckt. Mami hat den Beruf aufgegeben, Papi den Sportwagen. Das soll sich nun bitte auch lohnen.

Wieviel Förderung halten Sie für richtig? Und braucht es dafür Kurse? Reicht es heute nicht mehr, mit seinem Kind zu spielen und spazieren zu gehen, um es auf die Zukunft vorzubereiten? 

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