Mütterliches Burnout

Manchmal wird Muttersein zu viel. Ein Tabu wird gebrochen.

Erinnern Sie sich an diese unerklärlichen Tränen, die am Tag nach der Geburt nicht aufhören wollten zu fliessen? Sie nennen es den Babyblues. Die schlimmere Variante – die postpartale Depression – erkennt man unter anderem an einem totalen Mangel an Energie, einer unerklärlichen Traurigkeit angesichts des neuen Familienglücks oder auch an a priori grundlosen Schuldgefühlen. Diese zwei Diagnosen sind gesellschaftlich anerkannt und können behandelt werden.

Doch wie sieht es mit den Müttern aus, deren Kinder schon keine Säuglinge mehr sind und bei denen sich Gefühle wie oben beschrieben schleichend bemerkbar machen? «Manchmal kann ich nicht mehr, da wünsche ich mir, gar keine Kinder zu haben.» Stéphanie Allenou, dreifache Mutter sechsjähriger Zwillinge und einer achtjährigen Tochter, erzählt in ihrem Buch «Mère épuisée»(«Erschöpfte Mutter») ihre ersten drei Jahre als Mutter. Gebären, stillen, schlaflose Nächte, endlose Tage und diese Einsamkeit, die sich langsam einstellt.

Die Autorin wagt es, Dinge auszusprechen, die viele Frauen denken, aber nie laut sagen würden. Denn es findet sich immer jemand im Umfeld, der totales Unverständnis zeigen wird und den Hilferuf mit einem «Was willst du denn? Du hast doch tolle Kinder?» abtut.

Schliesslich können die täglichen, kleinen und grossen Hindernisse, die eine Mutter bewältigen muss, der Alltag, den es zu meistern gilt, kein Grund sein, alles hinschmeissen zu wollen! «Wenn du einen richtigen Beruf hättest, könntest du vielleicht besser mit Stress umgehen.» Das musste sich die eine oder andere vielleicht auch schon anhören. Doch jede Mutter kennt die Verzweiflung, die einen mitunter befällt, wenn der wichtige Termin wegen Krankheit der Kinder verschoben werden muss. Wenn sich die Kleine wieder ausgezogen hat, kurz bevor man das Haus verlassen will. Wenn die Kinder zum tausendsten Mal wegen dieser bescheuerten Nanos heulend aufeinander losgehen.

In ihrem Buch begleiten wir die Autorin auf ihrem Abstieg in die Hölle. «Eine dumpfe Beklommenheit steigt langsam in mir auf. Ich versuche, meine innere Wut zu beherrschen, doch sie wächst weiter und ich explodiere immer öfter. Ich schreie. Immer lauter. Schlagen wird alltäglich, auf den Hintern, manchmal auch ins Gesicht. Die Beziehung zu meinen Kindern ist missbräuchlich geworden.» schreibt die Autorin mit einer erschreckenden Ehrlichkeit.

Diese beschriebene Erschöpfung ist dieselbe, die man vom beruflichen Burnout kennt: Die Person versucht, ihre Aufgabe perfekt zu meistern. Der Stress ist vorprogrammiert. Das Scheitern ebenso.

Die Väter indes scheinen in dieser Diskussion inexistent. «Die meisten Väter haben noch nie einen einzigen Tag alleine – wirklich alleine, und nicht bei ihrer Mutter(!) – mit den Kindern verbracht. Und wenn, dann hat die Frau schon vorgekocht, eingekauft und geputzt, damit Papi einfach Papi sein kann. Männer haben deshalb Mühe, ihre Frauen zu verstehen, wenn sie sie abends mit ungewaschenen Haaren, immer noch im Pyjama empfangen und der Staubsauger seit drei Tagen am selben Ort steht.»

Mit ihrem Buch möchte sie andere Mütter ermuntern, sich helfen zu lassen. «Die Einsamkeit muss durchbrochen werden. Sobald diese Frauen merken, dass jemand zuhört, sie ernst nimmt und im besten Fall, dass sie nicht alleine sind, können sie aufatmen und ein Stück weit dieses Bild der idealen Mutter loslassen.»

Jede Mutter will eine gute Mutter sein. Wir alle haben gewisse Vorstellungen, die von Guetzli backen bis «mein Kind vor allem Bösen schützen» so ziemlich jede Facette abdecken. Aber perfekt sein? Geht das überhaupt? Ich würde sagen, nein. Nicht als Mutter. Die perfekte Mutter hört nämlich dann auf, perfekt zu sein, wenn ihre Kinder ihr eben diese Perfektion vorwerfen, weil sie fast nicht auszuhalten ist. Perfektion ist eine Illusion. Oder nicht?

Kommentare

John hat gesagt…
Danke für den tollen Bericht. Viele Menschen wissen gar nicht was ein Burnout ist, und können dementsprechend nicht damit umgehen. Wie bei so vielen Krankheiten, von denen man noch nie etwas gehört hat. Und dann wird man ganz schnell etwas komisch angesehen und als Simulant verschrieen

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