Wie die böse Schwiegertochter
Die Kritik an Valérie
Trierweiler im «Magazin» ist unangebracht. Ein Kommentar.
«Sie hat Hollandes Ruf beschädigt.» Dies die Worte von
Elizabeth Day, Journalistin beim «The Observer», im «Magazin»
von Samstag. Die Rede ist von Valérie Trierweiler, Frankreichs First Lady, die
diese Rolle einerseits widerwillig, andererseits berechnend eingenommen hat.
Miss Day hätte vielleicht nicht nur vermeintliche Biografien
und Wahlprotokolle in Buchform lesen sollen, das Gespräch mit ein paar
Franzosen zu suchen, wäre ebenfalls angebracht gewesen.
Man mag Dame Valérie nämlich vieles vorwerfen,
beispielsweise dass sie ihre beiden Rollen – die der Journalistin und die der
Première Dame – nicht trennen kann. Oder auch, dass sie Mühe hat, beides unter
einen Hut zu bringen, je nach dem, was man bevorzugt. Dass sie verwantwortlich
für «Flambis» sinkende Popularität verantwortlich sein soll, ist jedoch
schlicht nicht wahr.
«Flambi» soll es
richten
Ohne den Anspruch auf politische Analyse erheben zu wollen:
Nicht wegen Trierweilers angeblicher Dominanz haben die Franzosen ihm den
Spitznamen eines "Wackelpuddings" gegeben, sondern wegen der hohen
Erwartungen, welche die Grande Nation nach jeder Wahl an den neuen Präsidenten
stellt. Alles muss SOFORT besser und einfacher werden. Und mit ALLES meint le
Français: Arbeitslosigkeit, Wirtschaft, Umwelt, Armut, Bildung. ALLES halt. Nun
ist François Hollande seit etwas mehr als einem halben Jahr im Amt und arbeitet
an den diversen Versprechen, die er während seines Wahlkampfes gegeben hat.
Dies zur grossen Unzufriedenheit der an staatliche Assistenz gewöhnten
Bevölkerung, welche sich von einer sozialistischen Regierung noch viel mehr Unterstützung
erhofft hat, ungeachtet der finanziellen Krise, in der das Land seit Jahren
steckt. Hollande hinkt den Erwartungen hinterher und seine – im Vergleich zum seinerzeit
impulsiv und teils überstürzt handelnden Sarkozy – eher lasch wirkende Persönlichkeit
machen aus ihm keinen Publikumsmagneten, soviel steht fest. Dass er
inkonsequent in seinen Aussagen ist (er befürwortet die Homo-Ehe, gibt aber an,
ein Bürgermeister, der das nicht will, muss keine gleichgeschlechtlichen Paare
zu trauen) und seinen Apparat), so scheint es, in PR-Sachen nicht immer im
Griff hat, steht ebenfalls ausser Frage. So skandierte sein Innenminister
Mannuel Valls vor Kurzem im Parlament, der grassierende Terrorismus im Land sei
das Werk der rechten Parteien.
Zu behaupten, seine Lebensgefährtin habe wegen ihres
Charakters und eines unangebrachten Tweets seinem Ruf geschadet, kann man
deshalb so nicht stehen lassen. Die Franzosen haben weit grössere Probleme als
die Frage, ob die First Lady ihre First Choice wäre. Dass Valérie Trierweiler
ihren Job behalten hat und nicht nur ihrem Président zudienen will, entspricht
wiederum der Einstellung vieler gebildeter Französinnen, die sich in ihr
wiedererkennen. Dieser Entscheid macht aus ihr nämlich eine Frau wie jede
andere. Die Aussage, «Sie hat Hollandes Ruf beschädigt» klingt hingegen wie die
Kritik einer Schwiegermutter an ihrer Schwiegertochter.
Erschienen heute auf clack.ch.
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